Als in meiner Ausbildung zum Bankkaufmann zum ersten mal das Thema Börse aufkam, haben wir "dummen" Azubis in der Pause darüber gerätselt, wie die Börse das hinbekommt, dass am Ende des Tages alle Orders ausgeführt werden.
Wie kann die Börse also für jede Order (Kauf- oder Verkaufsauftrag) eine passende Gegenposition ermitteln?
Heute weiß ich die Antwort: Gar nicht!
Wer erfolgreich an der Börse handeln möchte, der sollte sich mit den Grundzügen des Handels vertraut machen und wissen: Wie entstehen Börsenkurse?
Wer einen Kursverlauf richtig interpretieren und daraus sinnvolle Handelsideen entwickeln möchte (Wird der Kurs steigen oder fallen?), der muss sich zuvor mit den Grundlagen auseinandersetzen:
Wie entstehen Kurse? Wie hängt der Wert eines Unternehmens mit dem Börsenkurs zusammen? Was ist der Unterschied zwischen einem Bid- und Ask-Kurs? Wann wird meine Order ausgeführt?
In diesem Beitrag möchte ich Dir eine Einführung in das Thema Börsenkurse geben und Dich inhaltlich für den zweiten Teil (Charttechnik für Einsteiger) vorbereiten.
Bei allen Ausführungen beziehe ich mich hierbei auf den Handel von Aktien und die damit verbundenen Aktienkurse.
Der Wert eines Unternehmens und sein Kurs
Die Time-&-Sales-Liste und der Tick-Chart
In Anlehnung an die berühmte Feuerzangenbowle möchte ich beginnen mit: Da stellen wir uns mal janz dumm ...
In einer logischen Welt würde der Börsenkurs nämlich den Wert eines Unternehmens ausdrücken. Und zwar nach der ganz einfachen Formel:
Anzahl Aktien x Kurs der Aktie = Wert des Unternehmens
Diesen Unternehmenswert nennt man in der Fachsprache auch die Marktkapitalisierung.
In der Wirtschaftstheorie vertreten auch viele Ökonomen diese Meinung: Der freie Markt preist alle Informationen in den Kurs ein und ermittelt somit den Wert des Unternehmens.
Es gibt jedoch noch einige weitere Möglichkeiten, den Wert eines Unternehmens zu bestimmen.
Gerade bei Unternehmen, die gar keine Aktien ausgeben, ist es schwierig, den Wert zu ermitteln. So können BWLer im Rahmen dieser Aufgabe beispielsweise auf das sogenannte Substanzwertverfahren zurückgreifen:
Im Rahmen dieses Verfahrens wird ermittelt, welcher Betrag notwendig wäre, wenn das gesamte betriebsnotwendige Vermögen neu beschafft werden müsste.
Von dieser Summe wird das nicht betriebsnotwendige Vermögen und alle Schulden abgezogen. Was im Ergebnis übrig bleibt, ist der Wert des Unternehmens (Substanzwert).
betriebsnotwendiges Vermögen - nicht betriebsnotwendiges Vermögen - Schulden = Substanzwert
Stark vereinfacht läuft es also darauf heraus, festzustellen, was ist das notwendige Betriebsvermögen wert. Also welchen Wert haben alle Maschinen, Gebäude, Grundstücke, Patente, Lagerbestände etc. eines Unternehmens.
Logisch wäre jetzt, wenn der Kurswert x Anzahl Aktien = Substanzwert ergeben würde. Und der Substanzwert / Anzahl Aktien = Kurswert ergeben würde.
Leider ist dem in der Praxis aber nicht so!
Das erste, was Du Dir klar machen musst, ist, dass der Wert eines Unternehmens mit dem Kurs einer Aktie nur bedingt zusammenhängt.
Der obige Chart zeigt den Aktienkurs von TESLA von April bis September diesen Jahres. Du kannst erkennen, dass der Kurs (Preis je Aktie) im April bei 770 USD lag, dann im Mai auf 550 USD gefallen ist um anschließend bis September wieder auf 770 USD zu steigen.
Bei 963.000.000 ausgegebenen Aktien von TESLA bedeutet dies, dass der Wert des Unternehmens von ca. 741 Milliarden (963.000.000 Aktien x 770 USD) innerhalb von einem Monat auf 529 Milliarden gefallen ist, um dann innerhalb von vier weiteren Monaten wieder auf ca. 741 Milliarden zu steigen.
Fällt Dir da etwas auf?
Elon Musk ist für mich tatsächlich ein ziemlich cooler Typ. Aber das er innerhalb von 4 Wochen Geschäftsvermögen in Höhe von rund 200 Milliarden vernichtet, um es innerhalb von 4 Monaten wieder aufzubauen, wage ich stark zu bezweifeln.
Wie viele Lagerhallen und Maschinen etc. wären das wohl gewesen?
Das Beispiel sollte Dir klar machen, das eine Aktie eine Beteiligung an einem Unternehmen darstellt. Und der Kurs einer Aktie sollte den anteiligen Wert repräsentieren.
Daher gilt: Der Aktienkurs orientiert sich langfristig immer am Wert des Unternehmens.
Und als Formel kannst Du Dir merken, dass der berechnete Unternehmenswert dividiert durch die Anzahl der Aktien den Kurs ergibt. Nennen wir es den Wert einer Aktie.
Der Wert einer Aktie und der Kurs einer Aktie werden sich langfristig parallel entwickeln
Kurzfristig können jedoch der Kurs und der Wert deutlich auseinanderfallen, weil die Kurse nach Angebot und Nachfrage bestimmt werden und nicht nach dem Wert des Unternehmens.
Die Börse ist in meinen Augen freie Marktwirtschaft oder auch Kapitalismus in Reinkultur:
Es ist der Ort, wo Angebot und Nachfrage zusammen kommen und sich aus dem Verhältnis beider Seiten ein marktkonformer Preis/Kurs ergibt.
Wie Du aus dem ersten Kapitel entnehmen konntest, werden Kurse an der Börse nicht zwingend rational ermittelt - wie viele meinen.
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu einem Wertpapier entscheidet über dessen Kurs. Der verstorbene Börsen-Guru Andre Kostolany hat es mal sehr schön formuliert:
Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten - oder umgekehrt
Mit Aktien meinte er die Seite der Verkäufer (Das Angebot) und mit Idioten die Seite der Käufer (Die Nachfrage).
Die Kurse steigen also, wenn es mehr Nachfrage als Angebot gibt. Das ist übrigens nicht nur bei Börsenkursen so, sondern ein grundsätzliches Prinzip der freien Marktwirtschaft. Die Verkäufer können zu höheren Preisen verkaufen, weil nur diejenigen Käufer Wertpapiere erhalten, die höhere Preise akzeptieren als die anderen.
Und die Kurse sinken, wenn das Angebot größer als die Nachfrage ist. Dann können die Inhaber der Papiere diese nur mit einem Preisabschlag an die wenigen Käufer los werden.
Um diesen Sachverhalt verstehen zu können, nutze ich ein Beispiel von Warren Buffett, welcher die Preisbildung von Aktienkursen am Beispiel eines Autoverkaufs wie folgt erklärt:
Stell Dir vor, Du besitzt ein Auto (Aktie) und möchtest dies verkaufen. Dann hat dieses Auto einen Wert, beispielsweise 5.000 Euro. Den Wert ermittelst Du vielleicht anhand der Schwackeliste oder anderer Hilfsmittel.
Nun möchtest Du dieses Auto verkaufen und gibst ein Verkaufs-Angebot ab: Beispielsweise 5.500 Euro. Mögliche Käufer werden sich Dein Auto ansehen und nun ihrerseits Kaufangebote abgeben: Vielleicht für 5.500 Euro, wahrscheinlich aber für weniger, also 4.800 Euro oder 5.200 Euro.
Du entscheidest nun, zu welchem Preis Du das Auto verkaufen wirst. Vielleicht zu 5.200 Euro, also zu einem Preis, der über dem Wert des Autos liegt oder zu 4.800 Euro, also zu einem Preis, der unterhalb des Wertes des Autos liegt.
Deine Entscheidung wird stark von Deinen Emotionen beeinflusst und kann ebenfalls stark vom Wert des Wagens abweichen: Vielleicht brauchst Du dringend Geld und akzeptierst daher das erste eingehende Angebot. Vielleicht hast Du auch Spaß am Verhandeln und verkaufst erst, wenn Du einen Preis über 5.000 Euro erzielen kannst.
Auf jeden Fall wird das Auto wahrscheinlich zu einem Preis verkauft, der vom eigentlichen Wert des Wagens abweicht.
Und genau so ist es mit dem Wert von Aktien und ihren Kursen.
Bevor wir uns nun die praktische Kursfeststellung an den Börsen ansehen, muss ich an dieser Stelle einen Part einschieben, den Du wie "Vokabeln lernen" betrachten darfst und der für Dein weiteres Verständnis wichtig ist. Einige wichtige Börsenbegriffe:
Eine Order ist ein Auftrag eines Anleger, eine Aktie oder ein anderes Wertpapier (beispielsweise Anleihen) zu kaufen oder zu verkaufen.
Ein solcher Auftrag wird heute meist elektronisch direkt vom Anleger im Internet bei seinem Broker erteilt, welcher den Auftrag dann an die Börse weiterleitet.
Abwicklung eines Handels: Der Verkäufer verkauft seine Aktien an den Käufer zu einem Kurs, zu dem beide im Rahmen ihrer Order zugestimmt haben
Eine Market Order ist ein Kauf- oder Verkaufsauftrag, der unabhängig von Kurs- oder Preisschwankungen zur nächsten Möglichkeit ausgeführt wird.
Achtung: Market Orders können zu anderen (meist schlechteren) Kursen als den gerade veröffentlichten Kursen ausgeführt werden!
Wenn Du eine Kauforder als Market Order erteilst, spricht man hier auch von einem unlimiterten Kauf; die Order wird billigst ausgeführt, also zu dem niedrigsten Preis, der möglich ist.
Achtung: Unlimitierte Aufträge können zu anderen (meist höheren, also teureren) Kursen als den gerade veröffentlichten Kursen ausgeführt werden!
Das Pendant zur unlimitierten Kauforder ist die unlimitierte Verkaufsorder; die Order wird bestens ausgeführt, also zu dem höchst möglichen Preis.
Auch hier gilt erneut die Einschränkung, dass der erzielte Kurs vom angezeigten (deutlich) abweichen kann.
Um diesem Problem der ungewollten und unkalkulierbaren Abweichungen entgegenzuwirken, kannst Du Aufträge an der Börse mit einem Limit versehen. Das bedeutet, das Verkaufsaufträge nicht zu niedrigeren Preisen und Kaufaufträge nicht zu höheren Preisen bzw. Kursen ausgeführt werden.
Kauflimite sind somit Maximallimite und Verkaufslimite sind somit Mindestlimite
Achtung: Ein limitierter Auftrag muss nicht zwingend ausgeführt werden, wenn sich an der Börse kein passender Gegenpart ermitteln lässt.
Möchtest Du Aktien oder andere Wertpapiere kaufen, nimmst Du an der Börse die sogenannte long-Position in einem Trade ein.
Man nennt dies auch bullish sein:
Der Käufer von Aktien vertritt tendenziell die Vorstellung, dass die Kurse steigen werden
Der Begriff stammt daher, dass ein Stier (engl. bull) im Falle eines Angriffs seinen Kopf mit gesenkten Hörnern von unten nach oben führt und seinen Gegner damit aufspiesst.
Möchtest du hingegen Aktien verkaufen, nimmst Du die sogenannte short-Position in einem Trade ein.
Man nennt dies auch bearish sein:
Der Verkäufer von Aktien vertritt tendenziell die Vorstellung, dass die Kurse fallen werden
Der Begriff stammt daher, dass ein Bär (engl. bear) sich im Falle eines Angriffs auf seine Hinterbeine stellt und mit seinen Tatzen/Klauen von oben nach unten schlägt.
Alle Aufträge (Kauf- und Verkaufsaufträge) werden an der Börse in einem Orderbuch erfasst. Dieses Buch wird in der heutigen Zeit natürlich elektronisch geführt; zum besseren Verständnis stellen wir uns aber das Ganze als eine Art T-Konto mit zwei Seiten vor:
Auf der linken Seite stehen die Kaufaufträge und auf der rechten die Verkaufsaufträge.
Die Aktienkurse werden nun nach den folgenden Prinzipien ermittelt:
Jede Order, die Du über Deinen Broker an die Börse übermittelst, wird also in das Orderbuch eingetragen. Aber ...
Ein Keylearning meiner Bankkaufmännischen Karriere war:
Nicht jeder Auftrag wird an der Börse ausgeführt
Solltest Du also zum Beispiel 100 Aktien von Coca Cola für zum Preis von 30 Euro kaufen wollen, erteilst Du einfach den Auftrag. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Auftrag auch so ausgeführt werden wird.
Bevor ich den Handel verstanden habe, dachte ich, dass die Börse jetzt einen Verkäufer suchen würde, der einen passenden Auftrag dazu aufgegeben hat (also 30 Coca Cola Aktien zu 30 Euro verkaufen).
In Wirklichkeit funktioniert das ganz anders.
Nach den obigen Prinzipien errechnet die Börse anhand des Orderbuches, zu welchen Kursen jetzt das entsprechende Wertpapier gehandelt wird.
Es gibt also für jedes Wertpapier gedanklich ein eigenes Orderbuch, wo alle Kauf- und Verkaufsaufträge der Anleger erfasst werden.
Die Börse ermittelt nun elektronisch, bei welchem Kurs der höchste Umsatz bzw. die meisten Stückzahlen gehandelt werden
Im obingen Beispiel (Tabelle, erste Zeile) kannst Du erkennen, dass zum Kurs von 105 zwar alle 245 Kaufaufträge erfüllt werden könnten, weil alle bereit waren, zu 105 oder einem höheren Kurs zu kaufen. Es würden jedoch lediglich 50 Aktien gehandelt werden können, weil nur 2 Verkaufs-Aufträge zum Kurs von 105 vorliegen.
Schau Dir nun die letzte Zeile mit dem Kurs von 130 an: Auch hier würden maximal 50 Aktien den Besitzer wechseln. Es wären zwar alle Verkaufsaufträge ausführbar, aber lediglich die beiden Aufträge "billigst" wären bereit, zu diesem Kurs zu kaufen.
Der Kurs des Wertpapieres würde in meinem Beispiel nun mit 118 ausgewiesen werden, weil zu diesem Kurs die meisten Stücke (Aktien), nämlich 120, den Besitzer wechseln würden. Alle Verkaufsorders zu 118 könnten ausgeführt werden und lediglich 30 der Kauforders zu 118 würden nicht ausgeführt werden.
Die folgenden Punkte solltest Du ab nun verinnerlicht haben:
Alle ausgeführten Orders werden nun ebenfalls an der Börse notiert, und zwar in einer sogenannten Time-&-Sales-Liste:
Die Tabelle zeigt beispielhaft die Time-&-Sales-Liste von Nike und ist im Grunde genommen nichts anderes, als eine fortlaufende Liste aller ausgeführten Trades.
In der Liste wird notiert,
gehandelt wurde. An der Börse gibt es eigentlich überhaupt keine Kurscharts oder graphischen Darstellungen, sondern lediglich solche endlos langen Listen mit allen vorgenommenen Umsätzen.
Um als Investor im Rahmen der Geldanlage nun einen Kursverlauf interpretieren zu können, wird die T&S-Liste jedoch eher selten genutzt.
Alle Kurse werden anschließend nämlich graphisch aufbereitet und in sogenanten Kurscharts veröffentlicht.
Jeder Umsatz wird nun in einem sogenannten Tick-Chart angezeigt: Auf der X-Achse sind die Zeitangaben (Minuten/Sekunden) und auf der Y-Achse der Kurs abgetragen.
Jeder Trade ergibt einen neuen Punkt und alle Punkte miteinander verbunden ergeben dann den oben dargestellten Kursverlauf.
Ich hoffe, Du hast mittels dieses Artikel ein erstes Grundverständnis für die Entstehung von Kursen entwickelt. Weitere Infos zum Thema Kursentstehung und technische Analyse findest Du in meinem Beitrag Charttechnik für Einsteiger.
Das wünsche ich Dir.
Dein Moneten-Magier