Im BWL-Studium habe ich etwas über Trading gelernt: Im Curriculum ist irgendwie standardmässig der 200-Tage-Durchschnitt enthalten und Professoren erklären einem dann, wie einfach es doch ist, an der Börse Geld zu verdienen.
Nun, wie hat der wunderbare Andre Kostolany es einmal formuliert: "Wenn die Börsenspekulation so einfach wäre, gäbe es keine Bergarbeiter, Holzfäller oder andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant".
Gleitende Durchschnitte sind kein Allheilmittel oder gar ein vollständiges Handelssystem, mit dem Du erfolgreich Dein Geld anlegen und vermehren kannst.
Richtig verstanden und korrekt angewendet werden Sie Dein Trading jedoch vereinfachen, verbessern und rentabler machen.
Gleitende Durchschnitte und ihre Bedeutung
Der einfache gleitende Durchschnitt
Der Einsatz eines gleitenden Durchschnitts
Zwei gleitende Durchschnitte in Kombination
Pros und Kontras hinsichtlich gleitender Durchschnitte
Ein gleitender Durchschnitt (engl. moving average) ist ein technischer Indikator.
Technische Indikatoren sind Hilfsmittel zur Analyse von (Aktien-)Kursen und werden im Trading dazu verwendet, Kauf- und Verkaufssignale zu generieren
Ein gleitender Durchschnitt ist in diesem Kontext die wohl einfachste Variante eines Indikators. Lass mich Dir seine Funktion am folgenden Beispiel erklären:
Zur Erstellung eines 30-Tage-Durchschnitts auf Basis der Schlusskurse werden die Kurse der letzten 30 Tage addiert und anschließend durch 30 geteilt.
Der Indikator heißt gleitend, weil in diesem Beispiel immer nur die letzten 30 Kurse miteinander addiert werden. Mit jedem neuen Handelstag wird der Durchschnitt neu berechnet.
Gleitende Durchschnitte sind sogenannte Trendfolgeindikatoren, was bedeutet, dass sie folgende Aufgaben übernehmen:
Hierbei solltest Du jedoch unbedingt beachten:
Gleitende Durchschnitte folgen, sie führen nicht. Das bedeutet: Kursvorhersagen sind mit ihnen nicht möglich!
Die Kernaufgabe dieser Indikatoren besteht darin, den Trend anhand der geglätten Linie besser erkennbar zu machen.
Die Berechnung und Anwendung von Durchschnitten kann auf verschiedensten Kursen erfolgen:
Die vermutlich jedoch immer noch am häufigsten genutzte Form ist die Berechnung auf Basis der Schlusskurse.
Du solltest Dir lediglich darüber im klaren sein, dass die Durchschnitte unterschiedliche Ergebnisse liefern, je nach der gewählten Berechnungsbasis.
Der einfache gleitende Durchschnitt (Mittelwert) ist - wie bereits oben angedeutet - der vielleicht beliebteste und am häufigsten verwendete Durchschnitt.
Die folgende Grafik zeigt den 20-Tage-Durchschnitt (weiße durchgängige Linie) und den 200-Tage-Durchschnitt (weiße gestrichelte Linie) der Dropbox-Aktie auf Basis der Schlusskurse.
Wenn Du diesen Indikator für Dein Trading nutzen möchtest, schau einfach auf der Tradingplattform Deines Brokers in den Einstellungen. Dort bieten nahezu alle Broker die Möglichkeit an, beliebige Durchschnitte anzuzeigen und zur technischen Analyse zu nutzen.
Was ist nun auffällig an dieser Darstellung?
Je größer die Anzahl der verrechneten Tage, desto größer wird die Glättung ausfallen und desto größer kann (muss aber nicht) der Abstand zwischen gleitendem Durchschnitt und aktuellem Kurs ausfallen.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Je kleiner die Anzahl der verrechneten Tage, desto kleiner wird die Glättung ausfallen und desto kleiner wird der Abstand zwischen gleitendem Durchschnitt und aktuellem Kurs ausfallen.
Im obigen Beispiel ist eindeutig zu erkennen, dass die Kurse relativ dicht um die 20-Tage-Linie tendieren, wohingegen der Abstand zur 200-Tage-Linie deutlich größer ist.
Zur Erinnerung: Einen gleitenden Durchschnitt solltest Du verwenden, um Dir den Trend einer Aktie (oder eines anderen Kurses) besser klar zu machen.
Angewandt auf unser obiges Beispiel musst Du nun nicht BWL studiert haben oder Börsenmakler sein, um erkennen zu können, dass der Kurs einer Aufwärtsbewegung folgt und es sich somit um einen bullishen Wert handelt.
Nur nochmal zur Sicherheit/Wiederholung: Das bedeutet nicht, dass der Wert in Zukunft weiter steigen wird. Das kann passieren, muss es aber nicht.
Wie kannst Du nun einen gleitenden Durchschnitt für Dein Trading nutzen?
Der einfachste Einsatz besteht darin, den Durchschnitt im Verhältnis zum Kurs zu betrachten und daraus Kauf- bzw. Verkaufssignale abzuleiten.
Hierbei lautet die einfache Regel:
Lass mich Dir auch diese Regeln an einem Beispiel erläutern: Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Nike-Aktie auf Tagesbasis. Die weiße Linie stellt einen 200-Tage-gleitenden Durchschnitt (moving average) auf Basis von Schlusskursen dar.
Im Chart ist bei Pfeil 1 deutlich zu erkennen, dass der Kurs die Linie des Indikators von oben nach unten schneidet. Dies stellt ein Verkaufssignal dar.
Hättest Du Aktien von Nike im Depot gehabt, hättest Du an dieser Stelle über einen Verkauf (Glattstellen der Position) nachdenken sollen.
Bei Pfeil 2 ist es genau umgekehrt: Der Kurs schneidet die Linie des Indikators von unten nach oben und Du erhältst somit ein Kaufsignal.
An der Stelle hättest Du (erneut) über einen Kauf von Nike-Aktien nachdenken können.
In der Einleitung habe ich ausgeführt, dass die Verwendung von einfachen gleitenden Durchschnitten kein vollständiges, profitables Handelssystem darstellt.
In der Theorie klingt das total einfach und logisch: Schneidet der Kurs von unten nach oben sollst Du kaufen und schneidet der Kurs von oben nach unten sollst Du verkaufen.
Der Teufel steckt jedoch wie immer im Detail, wie Du anhand von Pfeil 3 erkennen kannst.
Nutzt Du die technische Analyse für Dein Trading, wirst Du mit einem gleitenden Durchschnitt nicht langfristig profitabel handeln können, wenn Du ausschließlich seine Signale nutzt
Schau Dir den Verlauf des Kurses einmal genau an.
Um ehrlich zu sein: Das Einstiegssignal (Pfeil 2) hätte nicht viel besser sein können. Die Kurse haben danach inkl. Kurslücke eine hübsche Rallye hingelegt (sind stark gestiegen).
Allerdings hättest Du erst bei Pfeil 3 Deine Gewinne realisiert, wenn nämlich die Linie von oben nach unten durchbrochen wird (Verkaufssignal). Und weil der Durchschnitt halt lediglich dem Kurs folgt, kannst Du sehen, dass Du zu dem Zeitpunkt den größten Teil Deiner Gewinne schon wieder verloren hast.
Ferner kannst Du bei Pfeil 3 feststellen, dass der Kurs lediglich von der Linie des Indikator abbounct. Es gab zwar einen Schlusskurs unterhalb der Linie (Verkaufssignal), aber danach sind die Kurse sofort wieder stark gestiegen.
Es gibt also insgesamt zwei Probleme mit den Signalen, welche der Indikator produziert:
Den Beispiel-Chart mit Nike habe ich bewusst so gewählt, denn in dem Fall würden beide Probleme auftauchen.
Über die verschenkten Gewinne sind wir uns einig. Aber auch die Interpretation des Pfeil 3 als Verkaufssignal ist im Nachgang ärgerlich, da ja der Kurs offensichtlich nur an der Linie abgeprallt ist, um dann wieder sehr stark anzusteigen.
Lange Rede, gar kein Sinn: Die Verwendung eines einzelnen gleitenden Durchschnitts ist als Tradingidee nicht ausreichend. Punkt.
Um die Fehlerhäufigkeit der Handelssignale zu minimieren, greifen viele Trader auf eine etwas geschicktere Lösung zurück: Sie nutzen zwei statt einem gleitenden Durchschnitt.
Gängige Kombinationen sind beispielsweise 5/20 oder 10/50 Tage.
Die folgende Grafik zeigt Dir den Kursverlauf der Exxon Mobile Aktie mit einer Kombination aus einem 10-Tage- und einem 50-Tage-gleitendem-Durchschnitt.
Bei dieser Methode entstehen die Handelssignale ähnlich wie bei der Variante mit einem Durchschnitt, jedoch wird nicht der Kurs berücksichtigt, sondern die Schnittpunkte der beiden Indikatoren.
Welchen Vorteil bietet Dir nun diese Methode?
Hinsichtlich der beiden oben beschriebenen Problematiken ist der Schnittpunkt der beiden Indikatoren in der Praxis weniger fehleranfällig für Fehlsignale (s.o., Kurs bounct nur auf Linie).
Die zweite Problematik hinsichtlich des Verschenkens von Kurspotentialen bleibt jedoch größtenteils unverändert.
In meinen Augen ist die Nutzung von 2 gleitenden Durchschnitten der Variante mit nur einem überlegen. Trotzdem handelt es sich immer noch nicht um ein komplettes Handelssystem, dessen Signale ich einfach befolge und dadurch rentabel handeln kann.
Ein gleitender Durchschnitt ist vermutlich nicht der einzige Trendfolgeindikator, den Dir Dein Broker anbieten wird. Viele Broker und/oder Chartanalyse-Tools bieten auch die sogenannten Bollinger-Bänder an.
Bei den Bollinger-Bändern gibt es drei Linien, welche zusammen den Indikator ausmachen: In der Regel werden 2 Prozentbänder um einen gleitenden Durchschnitt gelegt.
In meinem Beispiel ist die weiße gestrichelte Linie ein gleitender 20-Tage-Durchschnitt. Um diesen Durchschnitt werden nun zwei weitere Bänder im Abstand von 2 Standardabweichungen gelegt.
Zwei Standardabweichungen bedeutet, dass ca. 95 % aller Kurse sich innerhalb dieser Range bewegen werden.
Wie kannst Du diesen einfachen Indikator nun für Dein Trading nutzen?
Stell Dir die beiden äußeren Bänder als Kursziele vor und den Schnittpunkt des Kurses mit dem mittleren gleitenden Durchschnitt als Handelssignal
Hierbei gehst Du nun wie folgt vor:
Der Kurs prallt beispielsweise an der unteren gelben Linie ab und schneidet den mittleren Durchschnitt von unten nach oben. Dies stellt ein Kaufsignal dar, mit dem oberen gelben Band als Kursziel.
Du hältst die gekauften Papiere also so lange, bis sie an das obere gelbe Band kommen und verkaufst dann (hoffentlich) mit dickem Gewinn.
Nun wartest Du, bis der Kurs vom oberen gelben Band abprallt und die mittlere Durchschnittslinie von oben nach unten schneidet. Dies stellt ein Verkaufssignal dar, mit dem unteren gelben Band als Kursziel.
Du könntest jetzt also einen Leerverkauf tätigen und den Trade ebenfalls (hoffentlich) mit Gewinn schließen, sobald der Kurs an das untere gelbe Band stößt.
Die Grundidee der Bollinger-Bänder besteht also einfach ausgedrückt darin, dass die Kurse innerhalb der beiden äußeren Begrenzungen hin- und herspringen, was sie in 95 % der Fälle auch tun (Wahrscheinlichkeit der 2 Standardabweichungen).
Fassen wir zum Schluss noch einmal die Pros und Kontras zusammen.
Viele Trader handeln nach dem Grundsatz "the trend is your friend". Gleitende Durchschnitte sind als Trendfolgeindikatoren so beliebt, weil sie genau das bieten und leisten, was diese Art des Tradings benötigt: Sie zeigen den Trend an, lassen Gewinne laufen und begrenzen Verluste.
Das Prinzip der gleitenden Durchschnitte kann technisch quasi für jeden Markt oder für jeden Kurs angewandt werden.
Ein großer Nachteil dieser Indikatoren besteht darin, dass sie lediglich in starken, gerichteten Kursbewegungen solide Signale liefern (Auf- und Abwärtstrends). Tendieren die Märkte seitlich, was sie leider sehr oft tun, verlieren die Signale an Wirkung.
Die Durchschnitte funktionieren nicht auf jedem Zeithorizont gleich gut. Es gibt Zeitperioden, in denen sie hervorragend funktionieren und andere, wo man sie besser nicht einsetzen sollte.
Mit Candlesticks Pattern Charts erfolgreich traden
Wie entstehen Börsenkurse? Eine kurze Einführung
Charttechnik für Einsteiger: Typische Kursverläufe